Vor 70 Jahren, am 10. Dezember 1948, verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Was für ein Meilenstein in der Geschichte, insbesondere angesichts fortwährender ideologischer Auseinandersetzungen.
In den Blick geraten uns heute zuallererst die notorischen Menschenrechtsverletzer der Staatengemeinschaft. Besonders schwerwiegende Fälle erreichen größere Aufmerksamkeit. Sie beschäftigen Medien und Engagierte. In der internationalen (Real-)Politik bleiben wirtschaftliche Interessen und politische Allianzen bestimmend. Reaktionen fallen oft zaghaft aus und wenn nicht, liegen andere Interessen dahinter.
Menschenrechte sind weltweit in der Defensive. Fundamentale Rechte von Menschen werden insbesondere in autoritären Regimen verletzt. Andersdenkende und kritische Journalisten werden ermordet. Religiöse oder ethnische Minderheiten sind in vielen Ländern Gewalt und Repressionen ausgesetzt. Zivilgesellschaft ist weltweit, auch in Demokratien, unter enormen Druck geraten. Populisten sind eine ernst zu nehmende Bedrohung unserer pluralistischen Demokratie geworden.
Verstoße gegen die Menschenrechte werden gern bei anderen angeprangert. Über eigene Defizite wird großzügig hinweggesehen oder die Rechte Einzelner dem größeren Ziel geopfert. Worum es jedoch geht, geht viel zu oft unter – die Würde, die Freiheit und der Schutz des Individuums – jederzeit und überall. Gerade deshalb ist es eben nicht nur ein Thema für Politiker und Aktivisten. Das Eintreten für Menschenrechte fängt bei jedem und im ganz Kleinen an. Es braucht insbesondere diejenigen, die gerade nicht betroffen sind. Wer glaubt auf der moralischen Sonnenseite zu sitzen, dem fehlt es womöglich an Sensibilität und dem Blick für eigene Handlungsmöglichkeiten. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Dem stimmt sicher die Mehrheit zu, aber dennoch sind Herabsetzungen von anderen und Diskriminierung Alltag bei uns. Schauen wir weg, schweigen wir oder sagen doch etwas? Wie offen und solidarisch verhalten wir uns tatsächlich gegenüber Menschen, die anders leben, glauben, lieben oder denen, die ihre Heimat verlassen mussten? Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit (Brüderlichkeit) – noch ist die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ziemlich groß. So unangenehm es ist – daran hat jeder seinen Anteil.