Rassisten sind immer die anderen

In einer demokratischen Gesellschaft, die für sich in Anspruch nimmt alle Menschen als gleichwertig zu achteten und zu behandeln, ist Rassismus ein schwerwiegender Vorwurf. Er negiert den Grundsatz von der Gleichwertigkeit aller Menschen und stellt den Universalitätsanspruch der Menschenrechte in Frage. Selbstverständlich halten wir uns mehrheitlich für humanistisch und egalitär eingestellt. Rassismus steht quer zu dem, wie wir uns selbst gern sehen. Aber dennoch hält sich unveränderlich der Glaube an „natürliche“ Differenzen zwischen „Kulturen“ oder gar „Rassen“. Unsere Wahrnehmung ist vielfach durch Raster bestimmt, die vorgeben, wie wir auf andere schauen und welche Eigenschaften wir ihnen „von Natur aus“ zuschreiben. Das können Frauen, Muslime, Sinti und Roma oder auch andere gesellschaftliche Gruppen sein. Zugeschriebene Eigenschaften werden dabei zu unveränderlichen Charakterzügen. Anstatt Individuen, die wurden was sie sind durch Erziehung, Bildung, gesellschaftliche Rahmenbedingungen, sehen wir homogene, abstrakte Gruppen. Tatsächlich sind sie wirkmächtige Konstruktionen, die Gesellschaft strukturieren und Einfluss auf das Leben von vielen Menschen haben. Rassistisches Denken kennt eine Reihe von Varianten, aber die Prozesse dahinter sind immer gleich: Konstruktion von Differenz, Wertung und Hierarchisierung sowie soziale Grenzziehung. Konkret heißt das, die Welt durch die Brille „Wir“ und die „Anderen“ / „Fremden“ zu sehen. Die eigene Gruppe wird dabei auf und andere werden abgewertet. Rassismus ist zählebig, denn er erfüllt immer eine Funktion. Benachteiligungen, diskriminierenden Praktiken oder Konflikte werden ebenso legitimiert, wie Privilegien. Die eigene kollektive Identität wird gestärkt und positiv aufgewertet. Dabei kann Rassismus Entlastungsfunktion haben, weil Probleme und negative Eigenschaften anderen zugeschrieben werden. Rassismus hat tiefe Wurzeln und ist in Institutionen und Kulturen eingewoben. Was kann man tun? Gefühlte moralische Überlegenheit sollte stutzig machen. Daher nicht mit dem Finger auf andere zeigen, sondern bei sich selbst anfangen. Auch Opfer von Rassismus können im Übrigen rassistische Denkmuster in sich tragen. Entscheidend ist aufzuhören nach Gründen und Ursprüngen von Rassismus bei den Betroffenen zu suchen. Diese liegen nicht bei ihnen, sondern in der Gesellschaft. Gesellschaftliche und soziale Probleme müssen auf ihre Ursachen hin untersucht werden, anstatt sie Religionen oder Ethnien „in die Schuhe zu schieben“. Wichtig ist dabei auch sich klar zu machen, dass wenn wir Menschen als fremd wahrnehmen dies keineswegs eine objektive Beschreibung ist. Wir sind Teil der Betrachtung. Es spielt also eine Rolle, wie wir uns selbst sehen oder welche Ängste und Befürchtungen wir in uns tragen. Aufschlussreich ist auch zu überlegen, warum Fremdheit zu manchen Gruppen ein Problem ist und zu anderen nicht. Natürlich gilt es kennenzulernen, was uns anders oder fremd vorkommt, aber ohne Selbstreflexion besteht die Gefahr, dass der Andere immer der Andere bleibt und wir in unserer binären Sicht auf die Welt steckenbleiben.

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