Über die Freiheit

Manche feiern sie jeden Tag, denn sie haben Unfreiheit erfahren. Andere fühlen sich verloren in ihr, suchen nach Wegweisern in einer als unübersichtlich empfundenen Welt, nach Ordnung, Sicherheit und möglichst klaren Regeln. Nicht wenigen scheint sie relativ egal. Man lebt sein Leben. Wie soll es auch anders sein. Allerdings – schauen wir uns in der Welt um –wer lebt so frei wie wir? Und – gestehen wir Menschen, die anders leben, lieben, glauben, feiern, sich kleiden auch ihre Freiheit zu? Stichwort: „Das wollen wir hier nicht!“. Interessantes Pluralis Majestatis, denn: Wer ist Wir? Relevant ist aber auch, was all jene denken, die sich nicht so offen äußern.

Jeder Mensch hat ein ursprüngliches Interesse daran frei zu denken und selbstbestimmt zu leben, sagt John Stuart Mill. Sein Essay „On Liberty“ ist ein Plädoyer für ein Höchstmaß individueller Freiheit und wider jeglicher Bevormundung. Nur wenn Schaden für andere oder die Gemeinschaft droht, darf die Freiheit Einzelner eingeschränkt werden. Allerdings müssen Menschen zu freier und gleichberechtigter Diskussion fähig sein. Freiheit scheint also etwas zu sein, was in uns steckt als ein ganz basales Bedürfnis, aber auch etwas, das mit Blick auf eigene Lebensentscheidungen sowie im Zusammenleben Kompetenzen erfordert.

Isaiah Berlin hat Mills Überlegungen und die von anderen Philosophen aufgegriffen und weiter gedacht. Er versteht Freiheit nicht mehr nur allein als Abwesenheit von Zwängen, denn negative Freiheit, verstanden als Freiheit VON etwas macht allein noch keinen freien Menschen aus uns. Erst positive Freiheit, d.h. Freiheit ZU etwas, macht uns zu autonomen Wesen und gibt die Chance etwas zu tun für das wir uns selber bewusst entscheiden. Nun kann und muss nicht gleich jeder ein Aktivist werden. Aber wir sind frei über gesellschaftliche Fragen nachzudenken und können Schlussfolgerungen für eigenes Leben und Handeln ziehen. Was uns am Herzen liegt, können wir unterstützen, in welcher Form auch immer. Wer nur um sich selbst kreist und mental im gesellschaftlichen Rücksitz sitzen bleibt, verpasst ein sinnerfüllteres Leben. „Recht, von dem man keinen Gebrauch macht, stirbt ab; Freiheit, von der man keinen Gebrauch macht, welkt dahin.“ – sagt Heinrich Böll. Schöner hätten es wir nicht sagen können.

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