Demokratie lebt davon, dass sie praktiziert wird…

Manche haben das Gefühl, die Demokratie sei in der Krise, glauben zumindest, früher wäre alles besser gewesen. Tatsächlich? Für wen? Sicher nicht für Frauen, Zugewanderte, LGBTQs u.a. Klar, übersichtlicher war es. Es gab weniger Konfliktlinien und folglich war das Parteiensystem weniger polarisiert. Antikommunismus und Westbindung fungierten bis zum Ende des Kalten Krieges als ideologische Leitplanken, hegten laut Parteienforscher Michael Koß alle strukturellen politischen Konflikte ein. Wer sich das nicht vorstellen kann, möge an den Beginn der Corona-Pandemie zurückdenken. Der Virus fungierte als gemeinsamer Feind und gemeinsamer Feind vereint. Alle anderen Konflikte traten – zumindest für kurze Zeit – in den Hintergrund.

Herausforderungen und Umbrüche, wie Klimawandel, Globalisierung, Digitalisierung und Migration verschwinden jedoch nicht. Auch wenn es sich mancher harmonischer wünscht, wir sind zurück im Normal.

Was heißt das nun für uns? Demokratien sind bewegliche Systeme und offene Gesellschaften haben Feinde, die alles andere als untätig sind. Ein bisschen Angst um die Demokratie kann man schon haben, sagt Michael Koß. Wer gesellschaftliche und politische Umbrüche erlebt hat weiß, dass nichts so bleiben muss, wie es ist. Zu denken, „die da oben“ sollten sich jetzt endlich mal um die wichtigen Themen (welche?) kümmern, zeugt eher von Untertanengeist. Demokratie lebt vom Engagement und Mitmachen. Das bedeutet, mindestens gut informiert wählen zu gehen, besser noch selbst aktiv zu sein. Wer sich, wo auch immer, politisch engagiert, bekommt ein besseres Verständnis davon, wie Demokratie funktioniert, was man von Institutionen und ihren Vertretern erwarten kann.

Interessanterweise genießen in Deutschland regulative Institutionen, wie Polizei und Gerichte seit je her mehr Vertrauen als repräsentative. Dabei wird Parteien traditionell wenig Vertrauen entgegengebracht und das, obwohl ihre Rolle in der deutschen Demokratie so zentral ist. Aber egal, wie man persönlich zu all dem steht, von allein wird nichts besser. Die Feinde der Demokratie kümmern sich ganz sicher um mehr als den nächsten Urlaub.

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Ich bin ok. Extrem, das sind die anderen!

Gesellschaft ist gespalten, Polarisierung nimmt zu. Risse ziehen selbst durch manche Familien. Halb bewusst oder unbewusst sortieren sich Freundes- und Bekanntenkreise neu. Um des lieben Friedens willen wird nicht selten vermintes Gelände umschifft. Bloß kein Streit! Allgemeine Sehnsucht nach mehr Einigkeit. Gleichzeitig große Empfindlichkeit – schon sichtbar andere Lebensvorstellungen werden als nervig oder gar Provokation empfunden. Das was Konflikte verursacht und schürt, kommt immer von außen, kommt von anderen. Ordentlich Sprengstoff liegt in Themen, wie Flucht, Zuwanderung und Integration. Auch Religion stört schnell (Privatsache!) und ist ein zuverlässiger Garant für hitzige Debatten.

Wir beobachten gesellschaftliche Veränderungen genau, aber wir nehmen sie als Phänomene wahr, die außerhalb von uns passiert. Wir sind von Entwicklungen natürlich nicht erfasst. Sich selbst dabei reflektieren, eigenes Verhalten hinterfragen? Warum? Das Problem bin nicht ich! Ich bin ok. Extrem, das sind die anderen. Ich steh auf der richtigen Seite. Andere müssen ihre Einstellungen korrigieren und vor allem ihr Verhalten. Wie geht das zusammen? Wir alle nur Beobachter, betroffen, genervt von dem, was in und mit Gesellschaft passiert? Schnell ist dabei nämlich auch ausgemacht, wer was tun muss. Wer, das sind die [***]. Wer, das ist im Zweifel man und schließlich natürlich immer auch der Staat. Am Rande stehend, sehen wir unseren eigenen Anteil an Gesellschaft, wie sie ist und sich entwickelt, nicht. An dieser Stelle darf das ICH mal groß geschrieben werden. Denn – ICH bin Teil der Gesellschaft, Teil des Problems, kann damit auch zur Lösung beitragen und Element einer Brücke über gesellschaftliche Gräben sein oder aber weiter müde daneben stehen…

[***] bitte selbst, je nach persönlichen Standpunkt, etwas eintragen 🙂

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Medien in der Mangel

Medienschelte ist verbreitet und bequem. Regelmäßig werden Medien pauschal zu Sündenböcken für gesellschaftliche Missstände gemacht. Natürlich gibt es auch Grund zur Kritik. Beispiele kennt jeder. Strukturell muss sich noch etwas tun, denn durch die „Pluralisten-Brille“ geschaut fällt auf, dass sich gesellschaftliche Vielfalt noch nicht in den Mainstream-Medien widerspiegelt.1 Bei allem was kritisch und entwicklungsbedürftig ist, gilt aber auch, dass ohne öffentliche Medien keine demokratische Gesellschaft funktioniert. „Medien in der Mangel“ weiterlesen

Liebe Fanatiker

So lautet der Titel eines der zuletzt erschienenen Essays von Amos Oz*. Amos Oz starb Ende Dezember 2018 im Alter von 79 Jahren. Er gilt als einer der bedeutendsten israelischen Schriftsteller und war in Deutschland besonders beliebt. In seinem Essay bezeichnete er sich selbst als „Fachmann für vergleichende Fanatismusforschung“, was man mit Blick auf seine Lebensgeschichte gut nachvollziehen kann.

Fanatismus ist kein neues Phänomen, aber hat immer dann Hochkonjunktur, wenn Zeiten als unsicher und krisenhaft erlebt werden. „Liebe Fanatiker“ weiterlesen