So lautet der Titel eines der zuletzt erschienenen Essays von Amos Oz*. Amos Oz starb Ende Dezember 2018 im Alter von 79 Jahren. Er gilt als einer der bedeutendsten israelischen Schriftsteller und war in Deutschland besonders beliebt. In seinem Essay bezeichnete er sich selbst als „Fachmann für vergleichende Fanatismusforschung“, was man mit Blick auf seine Lebensgeschichte gut nachvollziehen kann.
Fanatismus ist kein neues Phänomen, aber hat immer dann Hochkonjunktur, wenn Zeiten als unsicher und krisenhaft erlebt werden. Geradezu missionarischen Eifer entwickeln nicht nur „Religiöse“, auch Atheisten, Tierschützer oder oder haben fanatische Anhänger in ihren Kreisen. Es gibt sie also überall. Aber was macht Fanatiker aus? Amos Oz vergleicht sie mit wandelnden Ausrufezeichen, denn Fanatiker diskutieren nicht. Sie hören weder richtig zu, noch können sie ihre Position gut mit Argumenten vertreten. Andersdenkende sind für sie in erster Linie persönliche (Tod-)Feinde. Darüber hinaus sind Fanatiker eigentlich immer ziemlich humorlos, denn Humor würde die allzu übertriebene Wichtigkeit und den übersteigerten Ernst ihrer Mission relativieren. Dogmatismus und kompromisslose Selbstgerechtigkeit sind weitere wichtige Markenzeichen. Fanatiker finden leichter ihre Anhänger als man meinen könnte, denn nicht wenige sehnen sich nach einfachen Antworten auf komplexe Probleme. Klare Gut-Böse-Geschichten erfreuen sich allgemeiner Beliebtheit. Natürlich ist schwarz-weiß viel einfacher gedacht als bunt und multiperspektivisch. Neben individuellen und sozialen hat Fanatismus aber auch gesellschaftliche Ursachen. Wer allzu oft Ausgrenzung und Zurückweisung erlebt hat, ist eher geneigt sein Heil in Gruppen zu suchen mit größerer Mission und einer Identität von Kraft und Stärke. Unabhängig davon ist es aber auch gar nicht so trivial für sich allein dem Leben Sinn und Richtung zu geben. Abkürzungen sind willkommen. Fanatismus fängt schon im Kleinen an und auch das hat Konsequenzen. Eine Gesellschaft mit vielen kleinen Fanatikern ist stark polarisiert. Das hat Folgen für das gesellschaftliche, politische Klima. Politische Gegner werden viel schneller zu Feinden mit denen man nichts gemeinsam zu haben glaubt. Demokratischer Meinungsstreit wird ebenso erschwert, wie das Finden von Kompromissen.
Vertreten wir unsere Anliegen also mit Leidenschaft, ohne selbst dabei zum Fanatiker zu werden. Amos Oz warnt nämlich vor Ansteckung. Üben wir uns im zivilisierten Streiten. Trainieren wir unsere Ambiguitätstoleranz. Thomas Bauer, Professor für Islamwissenschaft und Arabistik, bescheinigt uns diesbezüglich ordentlichen Nachholbedarf.** Vormoderne islamische Gesellschaften sollen deutlich besser gewesen sein und auch Europa hatte ambiguitätstolerantere Zeiten. Wesentlich stärker als heute hatten Menschen die Fähigkeit offene Situationen, Mehrdeutigkeiten und Widersprüche auszuhalten. Dazu gehört auch das Nebeneinander verschiedener Weltsichten gut zu ertragen. Es hilft den Austausch mit andersdenkenden Menschen zu suchen. Dabei können wir eine Menge lernen.
*Amos Oz: Liebe Fanatiker. Drei Plädoyers. Suhrkamp, 2018
**Thomas Bauer: Die Vereindeutung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt, Reclam, 2018