Shrinking Space

… bezeichnet ein Phänomen, das bereits seit ein paar Jahren zu beobachten ist. Handlungsräume für Zivilgesellschaft werden weltweit enger und schrumpfen. Dieser Trend zeigt sich nicht nur in Autokratien und er hat auch vor Europa nicht halt gemacht. Laut Atlas der Zivilgesellschaft leben nur vier Prozent der Weltbevölkerung in Staaten mit offenen Handlungsräumen für Zivilgesellschaft*. Selten ist uns bewusst, was das bedeutet. Wir sitzen zufällig auf einer sehr kleinen, in diesem Atlas dunkelgrün markierten Insel im weiten Meer beschränkter, unterdrückter oder gar nicht erst vorhandener zivilgesellschaftlicher Freiheit. Ohne Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit ist zivilgesellschaftliches Handeln kaum möglich. Weil eben auch harte Autokratien ins Wanken geraten können, wie Massendemonstrationen und Protestbewegungen in zahlreichen Ländern gezeigt haben, sollen Kritik und Widerstand im Keim erstickt werden. Es geht um politischen Machterhalt und oftmals auch um ökonomische Interessen. Russland wurde mit seiner NGO-Gesetzgebung zum Vorreiter und Vorbild für viele Regierungen. In mehr als 60 Ländern gibt es laut Böll-Stiftung mittlerweile Gesetze, die zivilgesellschaftliche Aktivitäten kontrollieren und einschränken. In zahlreichen Ländern werden Nichtregierungsorganisationen und Aktivist*innen mittels Bürokratie blockiert, kriminalisiert, schikaniert oder gar verfolgt. Gerade kleinere und lokal arbeitende Organisationen sind besonders gefährdet, denn Repressionen finden unterhalb des Radars internationaler Öffentlichkeit statt. Unterstützung bekommen eher die bekannteren Organisationen und prominente Aktivist*innen im Notfall Asyl. Parallelen zeigen sich mit Blick auf die Pressefreiheit. Für Journalisten ist die Arbeit vielerorts und auch in Europa schwieriger und gefährlich geworden. Shrinking Space betrifft nicht nur Menschen in repressiven Autokratien dieser Welt. Es ist auch ein Thema für uns in Europa und in Deutschland. Ungarn gilt laut Atlas der Zivilgesellschaft als Land, wo Organisationen nur noch „beschränkt“ arbeiten können. In Deutschland wurde kürzlich der Kampagnenorganisation Attac die Gemeinnützigkeit aberkannt. Weitere Vereine sind in der Diskussion. Das Gerichtsurteil über Attac ist brisant. Viele gemeinnützige Organisationen leisten politische Bildungsarbeit, welche im Fall von Attac als nicht im Sinne des Gemeinwohls und damit als nicht förderungswürdig eingestuft wurde. Die Unsicherheit ist groß. „Gemeinnützigkeit in Deutschland: Karneval und Religion ja, Politik und Menschenrechte nein“** – titelten kürzlich Annika Elena Poppe und Jonas Wolff und bringen auf die Problematik auf den Punkt. Zivilgesellschaft muss gesellschaftliche Themen aufgreifen und soll dabei kritisch und unbequem sein. Davon lebt Demokratie. Natürlich muss sich auch Zivilgesellschaft Kritik gefallen lassen. Transparenz ist dabei ein Thema. Nur wer offenlegt woher sein Geld kommt und wie er es verwendet zeigt, ob er unabhängig und im Sinne des Gemeinwohls arbeitet. Bürgerliche Freiheiten und politische Teilhaberechte sind uns oft selbstverständlich, aber sie sind es nicht. Sie sind auch nicht dann erst in Gefahr, wenn Regierende demokratische Strukturen aushöhlen, sondern wenn wir unsere Freiheitsrechte nicht nutzen und verteidigen. Mit Blick auf die eingangs erwähnte Weltkarte ist es wichtig regelmäßig den eigenen kleinen Kosmos zu verlassen, denn Interesse an der Arbeit von Aktivist*innen und Solidarität sind auch schon ein Beitrag. Ihre Anliegen sind legitim. Nur Illiberale kriminalisieren sie. Opportunisten in Politik und Wirtschaft übersehen sie geflissentlich und unterstützen so indirekt die Autokraten – hier bei uns von unserer grünen Insel aus.

*Atlas der Zivilgesellschaft 2019, Brot für die Welt und CVICUS
**PRIF Blog – Peace Research Institute Frankfurt / Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

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