Toleranz gegenüber Minderheiten ist für viele normativ, leben wir doch in dem Selbstverständnis, dass allen Menschen gleiche Rechte zukommen. Natürlich identifizieren wir uns mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, deren Kernbotschaft bereits in den ersten zwei Sätzen formuliert ist:
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“
Selbstverständlich beginnt auch das Grundgesetz damit, dass die Würde des Menschen unantastbar ist, alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und niemand aufgrund seiner Herkunft, seines Glaubens oder seines Geschlechts benachteiligt werden darf. Das ist unser Anspruch – kollektiv wie auch individuell.
Aber dennoch…
Menschen erleben Diskriminierung, Ausgrenzung oder sogar Gewalt allein aufgrund ihrer Herkunft, ihrer kulturellen Wurzeln, ihrer Religion oder auch ihrer sexuellen Orientierung bzw. Geschlechtsidentität. Aus Angst vor Anfeindungen oder Nachteilen verbergen nicht wenige Menschen wichtige Teile ihrer Identität. Wer die Unfreiheit autoritärer Systeme erlebt hat, kann sich vorstellen, was das bedeutet. Wenn alle Menschen gleich an Würde und Rechten sind, dann bedeutet Diskriminierung eine Verletzung dieses Grundsatzes und ein Bruch mit unseren Werten. Die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist nicht zu übersehen.
Und was heißt das jetzt?
Diskriminierung ist nicht nur das Problem der Betroffenen, sondern es ist ein gesamtgesellschaftliches und muss als solches auch so angegangen werden. Hierbei ist nicht nur die Politik gefragt, sondern auch jeder Einzelne. Denn – jeder ist Teil der Gesellschaft und wie wir miteinander umgehen wesentlicher Indikator für die Qualität unserer Gesellschaft. Für jeden Einzelnen gilt darüber hinaus, dass es sich deutlich besser lebt mit klarer Haltung und im Einklang mit den eigenen Werten. Störgefühle oder diffuse Ängste tragen auch nicht gerade zu einem guten Lebensgefühl bei.
Fangen wir also bei uns selbst an. Wir alle haben unsere „blinden Flecke“. Damit sind die Teile der gesellschaftlichen Wirklichkeit gemeint, die wir nicht sehen. Ignoranz ist keine Toleranz. Darüber hinaus schleppen wir höchstwahrscheinlich den ein oder anderen „dunkleren Fleck“ mit uns herum. Damit ist der eigene Blick auf Menschen gemeint, die wir oft nur als Teil abstrakter Gruppen wahrnehmen, von denen wir sehr wenig wissen und die uns mindestens fremd vorkommen. Das was wir „wissen“, wissen wir vom Hörensagen bzw. aus den Medien oder haben es als Kinder so „gelernt“.
Also – raus aus der eigenen Blase, Menschen treffen, die wir sonst nicht treffen, zuhören, reden, diskutieren, sich auseinandersetzen und selbst eine Meinung bilden. Nur so entsteht echte Toleranz (einschließlich ihrer vielbeschworenen Grenzen), Respekt und nicht selten sogar Empathie.