Demokratien können mit einem Putsch untergehen, mit einem Krieg, einer Revolution. Sie können aber auch allmählich sterben, ohne jedes Drama eingehen. Ein allmählicher Prozess, der irgendwann anfing. Wie das aussehen könnte, zeigt Juli Zeh in „Leere Herzen“. Die BBB, „Besorgte-Bürger-Bewegung“, ist an Macht. Ein „Effizienzpaket“ nach dem anderen wird verabschiedet und auf die Art sukzessive die Demokratie abgebaut. Die meisten Menschen scheint das nicht zu interessieren. Das Leben geht weiter. Die Veränderungen haben erstmal keinen großen Einfluss auf Alltag und Lebensqualität der meisten. Es herrscht allgemeine Gleichgültigkeit. Politik, Religion, Gemeinschaftsgefühl und der Glaube an eine bessere Welt sind verlorengegangen. Überzeugungen? So gestrig wie Zeitung lesen. Die Gesellschaft im Roman ist sehr grob skizziert, aber die Bezüge zur Gegenwart sind deutlich.
Was gefährdet Demokratie?
Der demokratische Rückschritt beginnt an der Wahlurne denken einige mit Blick auf die Wahlerfolge von Rechtspopulisten und –Extremisten. Tatsächlich beginnt er aber schon viel früher, nämlich dort, wo Leute sich nicht als Teil einer größeren politischen Gemeinschaft fühlen, als Bürger, deren Stimme zählt und die über Möglichkeiten der Einflussnahme verfügen. Die „Partei der Nichtwähler“ erreichte bei der Bundestagswahl 2017 23,8%. Bei Kommunalwahlen in Köln wählt fast die Hälfte nicht und dass, obwohl Wahlergebnisse Einfluss auf Themen haben, die das Leben der meisten ziemlich direkt betreffen. In einer demokratischen Gesellschaft sind Wahlen die wichtigste Form der Partizipation. Hier manifestiert sich die politische Gleichheit der Bürger: „One men, one vote“. Politik reagiert auf zähl- und hörbare Stimmen. Wenn diejenigen, die ihren „Bürgerjob“ an den Nagel gehängt haben, immer mehr werden, steht Demokratie auf sehr wackeligen Beinen. Eine Mehrheit von Konsumenten könnte sie nicht mehr tragen.
Demokratie ist eine Aufgabe, für alle. Dazu gehört sich zu informieren, sich zumindest zu ein paar Themen eine Meinung zu bilden. Andernfalls kann man schlecht eigene Präferenzen mit den Angeboten der Parteien abgleichen. Demokratie erfordert Verhandlungen, Kompromisse, Zugeständnisse. Wer ein besseres Verständnis für politische Kommunikation und demokratische Prozesse hat, hat auch realistischere Erwartungen. Politiker-Bashing ist jedenfalls leichter, als sich den Politikbetrieb selbst mal genauer anzuschauen oder z. B. mitzuhelfen Themen auf die politische Agenda zu bringen.
Populäre Extremisten und Gegner der Demokratie gibt es immer. Die Frage ist, wie die Mehrheiten mit antidemokratischen Minderheiten umgehen. Hier liegt der Hebel. Gleichzeitig sitzt hier auch die Gefahr, wenn sich politische Apathie und Angst breit machen, die Vereinzelung zunimmt und mit ihr die größeren Ideen und gemeinsame Ziele verloren gehen.
Steven Levitsky / Daniel Ziblatt (2018): Wie Demokratien sterben
Juli Zeh (2017): Leere Herzen