In die Weite…

Eine Ausstellung als historisch-ästhetische Annäherung im Rahmen von 1700 Jahre jüdisches Leben

„Geschichte kann man nicht ausstellen“, sagen die Kurator*innen zu recht, aber es gelingt ihnen auf besondere Weise mit einer Auswahl ganz unterschiedlicher Objekte Geschichten zu erzählen, Geschichten von Menschen, vom jüdischen Leben in der Vergangenheit und seiner heutigen Vielfalt. Die Ausstellung ist das, was sie vorgibt zu sein, eine historisch-ästhetische Annäherung und keine wie auch immer geartete Präsentation jüdischen Lebens. Objekte bieten verschiedenen Zugänge, wirken in ihrem gleichrangigen nebeneinander an Wänden und in Vitrinen wie ein Kaleidoskop. Ausgrabungsstücke, Alltagsgegenstände und Kunstwerke oder Dokumenten lassen Ausstellungsbesucher*innen die Freiheit sich verschiedentlich anzunähern, hier oder dort tiefer einzulassen. Die Ausstellung gibt nicht vor, was zu denken, zu lernen oder mitzunehmen ist und sie hat dennoch ein Ziel. Sie möchte den Blick weiten und Nähe schaffen. Das gelingt, denn Objekte erzählen Geschichten, die berühren. Auch die nicht-gegenständlichen Kunstwerke spielen im Sinne einer ästhetisch-emotionalen Annäherung eine wichtige Rolle. Die archäologischen Funde aus dem mittelalterlichen jüdischen Viertel geben interessante Einblicke in die besondere Geschichte der Stadt Köln. Selbst unwiederbringlich zerstörtes, wie die Synagoge in der Glockengasse bekommt „Raum“, indem der Blick der Besucher*innen durch ein Fenster des Museums in die Glockengasse gelenkt wird. Auch das, was für viele im Alltag nicht sichtbar ist, die Vielfalt jüdischen Lebens heute, bekommt Platz. Ein erster Hinweis hängt bereits prominent im Windfang des Eingangsbereiches, die Regenbogenfahne mit Davidstern des queer-jüdischen Vereins Keshet Deutschland e.V.

Ausstellung in Kooperation von MiQua. LVR-jüdisches Museum im Archäologischen Quartier Köln und Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln

Photo by Tetiana SHYSHKINA on Unsplash

Seit 2000 Jahre leben Juden hier…

auf dem Gebiet, das heute Deutschland ist. Sie kamen mit den Römern, waren Teil der Geschichte und haben Gesellschaft mitgeprägt. Köln kommt dabei eine besondere Rolle zu, denn seit nachweislich 1700 Jahren gibt es jüdisches Leben in der Stadt. Als Beleg gilt das Edikt des römischen Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321, welches Kölner Juden ermöglichte in Ämter der Stadtverwaltung berufen zu werden. Dieses früheste Zeugnis jüdischen Lebens gab den Anstoß für das Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland, eine Geschichte von Ausgrenzung, Verfolgung, Ermordung. Blütezeiten gab es auch, aber sie waren vergleichsweise kurz. Was also machen aus einem Jubiläum mit einer solchen Geschichte dahinter? Schwierig. Und heute? Schätzungsweise 150.000 Jüdinnen und Juden leben in Deutschland. Ein kleines Pflänzchen, welches es vielerorts ohne den Zuzug der Juden aus der Sowjetunion nicht mehr gäbe. Und ein Pflänzchen hinter Mauern, weil es ohne Polizeischutz für Synagogen, Kindergärten und Schulen nicht geht. Scheinbare Normalität. Frei und unbeschwert in Vielfalt zusammen leben, das wäre normal.

Trotzdem und gerade deshalb gibt es dieses Festjahr. Zahlreiche Menschen engagieren sich dafür, haben Veranstaltungen und Aktionen geplant. Es liegt die Hoffnung darin, dass positive Energie für die Zukunft, Empathie entsteht, Neugier und Interesse geweckt wird, wenn die Vielfalt jüdischen Lebens Raum, Bühne und damit mehr Sichtbarkeit bekommt. Das Jahr ist eine Einladung an alle, eine Möglichkeit daraus etwas Gutes zu machen.

Von Köln ging der Impuls für dieses Jahr aus. Köln ist Mittelpunkt der Aktivitäten und auch das ist eine Chance. Die Stadt ist so viel mehr als das, was oft von ihr wahrgenommen wird. Die Vielfalt der Stadtgesellschaft und das reiche kulturelle Erbe machen sie besonders. Von Anbeginn waren Juden hier, haben sich eingebracht. Sie hatten großen Anteil an der Entwicklung der Stadt hin zu einer attraktiven Metropole. Als Unternehmer, Architekten*, Künstler und Mäzene haben sie das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben Kölns mitgestaltet. Es lohnt sich auf Spurensuche zu begeben. Köln ist heute auch die Heimat verschiedener jüdischer Communities. Was für Jüdinnen und Juden das Judentum ausmacht und was es für ihr Leben bedeutet, ist ganz verschieden. Es gibt also viel zu entdecken.

*Auf den Spuren jüdischen Lebens: Naumann-Siedlung in Köln-Riehl, Architekt Manfred Faber
Fotograf: Fulvio Zanettini

 

Wer feiert mit?

Am 19.4.2018 feiert Israel seinen Unabhängigkeitstag und 70-jähriges Jubiläum. Zehn Jahre ist es her, dass Angela Merkel anlässlich des 60. Jahrestages vor der Knesset, dem israelischen Parlament, in Jerusalem sprach. Die Rede gilt als wichtiger Meilenstein in der Beziehung beider Länder. Angela Merkel sprach von der historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels, von Solidarität als Teil deutscher Staatsräson und gemeinsamen Werten. Klare Worte – alles gut? „Wer feiert mit?“ weiterlesen

Jüdisches Leben in Deutschland

Jüdisches Leben ist kaum sichtbar. Jüdische Einrichtungen aber fallen durch umfangreiche Sicherungsmaßnahmen und Polizeischutz auf. Die meisten Menschen haben sich wohl daran gewöhnt – scheinbare Normaltät in Köln, Düsseldorf, Berlin und vielen anderen Städten.

Zu den jüdischen Traditionen gehört auch Tu Bischwat, das „Neujahrsfest der Bäume“, welches jetzt Ende Januar in vielen Gemeinden gefeiert wird. Tu Bischwat ist kein religiöses Fest, aber eines welches die Bindung an Israel und den Gemeinschaftsgedanken stärken möchte. Es ist ein fröhliches Fest mitten im grauen Winter und es bringt den Frühling, der in Israel gerade beginnt nach Deutschland. „Jüdisches Leben in Deutschland“ weiterlesen