Pune, eine Millionenstadt nicht weit von Mumbai, ist bekannt als boomender Wirtschaftsstandort und Sitz des Ashram von Osho. Es ist Anfang März. Die Tage sind lang und vollgestopft mit Gesprächen und Eindrücken. Eines Morgens ist die Stimmung im Büro aufgekratzt und noch fröhlicher als sonst. Alle – bis auf eine – erscheinen in ihren besten und farbenfrohsten Saris. Ein besonderer Tag?! Was wird gefeiert? Des Rätsels Auflösung kommt schnell. Es ist der achte März – ach so – „nur“ Frauentag. Große Bedeutung hat der Tag bei uns meist nicht. Hier ist offensichtlich anders. Auch gut, aber viel zu tun ist trotzdem. Beharrlich und sehr freundlich wird kollektiv interveniert. Wir müssen doch feiern. Einverstanden, aber nur kurz. Im größten Saal des Unternehmenscampus scheint sich die gesamte weibliche Belegschaft versammelt zu haben. Die Stimmung ist großartig. Im Meer von Farben bunter Kleider ist eine in Business-Kluft darunter, aber das ist völlig egal, denn mittendrin und zusammen sein ist alles in diesem Moment. Auf der Bühne gibt es ein buntes Programm. Es wird gesungen, geredet, geklatscht. Hier und da werden sich Übersetzungen zugeflüstert, aber bei der Vielfalt an Sprachen in Indien versteht ohnehin nicht immer jede alles. Darum geht es auch gar nicht, denn wichtig sind allein die Gemeinschaft und die positive Energie. Das Motto des Tages scheint zu sein: Heute feiern wir uns. Fleißig können wir ab morgen wieder sein. Die im Business-Outfit war im Übrigen ich.
Manchmal muss man weit reisen, um besser zu verstehen. Der Frauentag ist relevant und zwar für uns alle und überall auf der Welt. Geschlechtergerechtigkeit ist nirgends tatsächlich erreicht. Wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer geschlechtergerechteren Gesellschaft wurden bei uns erst vorgestern erreicht und sind nicht selbstverständlich. Je größer die Lücke zwischen Realität und dem Ideal gleicher Rechte und Würde, umso bedeutender ist es, sich gegenseitig zu stärken. Nichts ist an einem solchen Tag in Pune wichtiger als mit den Kolleginnen zusammen zu sein. Geblieben ist ein geschärftes Bewusstsein für bestehende Ungerechtigkeiten sowie die Bedeutung von Solidarität insbesondere mit all jenen, die sich nicht unterkriegen lassen und sich beharrlich für gleiche Rechte einsetzen. Manchmal muss man weit reisen, um besser zu verstehen. Wir nehmen den eigenen Kosmos von außen war, sehen dadurch mehr und verstehen auch, was uns mit Menschen in anderen Teilen der Welt verbindet.