Über Pluralismus und Demokratie

Die Pluralität der Menschen ist eine Tatsache (Hannah Arendt).
Nur eine offene, freie und demokratische Gesellschaft trägt dem Rechnung (Die Pluralisten).

In ihrem Essay „Was ist Politik?“ stellt Hannah Arendt fest, dass in sämtlichen wissenschaftlichen Disziplinen „der“ Mensch im Mittelpunkt steht. Das mag in der Biologie oder Philosophie sinnvoll sein. In der Politik ist es das nicht – versucht sie doch das Zusammenleben der Verschiedenen zu regeln. Diese haben in demokratischen Gesellschaften gleiche Rechte. Dahinter liegt die Idee von der Gleichheit und Würde aller Menschen ohne Unterschied. Damit anerkennen und schützen Demokratien gesellschaftliche Vielfalt. Eine demokratische Ordnung schützt nicht nur die individuellen Rechte jedes Einzelnen, sie lebt auch von Vielfalt. Bürger bringen ihre unterschiedlichen Interessen in den politischen Prozess ein, indem sie wählen, sich zur Wahl stellen oder sich zivilgesellschaftlich in Bürgerinitiativen oder Nichtregierungsorganisationen engagieren. Populisten blenden gesellschaftliche Vielfalt aus. Sie sprechen im Namen eines einzig „wahren“ homogenen Volkes und schätzen demokratische Institutionen, wie Parlamente oder Gerichte gering oder verunglimpfen sie gar. Populisten sind damit nicht nur Anti-Pluralisten, sondern auch Gegner der Demokratie. Pluralisten hingegen treten für Vielfalt und Demokratie ein.

Pluralismus bedeutet, dass es in einer Gesellschaft verschiedene Gruppen gibt, die sich beispielsweise mit Blick auf kulturelle Prägung, individuelle Lebensweise, Werthaltung oder Religion bzw. Weltanschauung unterscheiden. Das hat zur Folge, dass jeder Einzelne regelmäßig damit konfrontiert ist, dass es auf die grundlegenden Fragen des Lebens, wie Glaube oder Lebensweise offensichtlich ganz unterschiedliche Antworten gibt. Das kann verunsichern und dazu führen, dass sich Menschen in ihre Blase zurückziehen. Wer sich gut verankert im eigenen Leben fühlt, wird Vielfalt jedoch als Bereicherung erleben und das Nebeneinander von eigenen und fremden Perspektiven als interessantes Feedback erfahren. Das erhöht im Übrigen auch die Ambiguitätstoleranz, d.h. die Fähigkeit über den eigenen Tellerrand zu schauen, Zweideutigkeiten bzw. mehr als die eine (eigene) Wahrheit zu sehen und auszuhalten. Wer die eigene Blase hin und wieder verlässt, gewinnt viel. Das zunächst Fremde verspricht neue (Selbst-)Erkenntnisse und bedeutet in erster Linie Chancen, anstatt diffuser Befürchtungen. Wer Vielfalt schätzt, sich der eigenen bewusst ist und sie pflegt, kann verschiedene Perspektiven einnehmen und ist für „Überidentifikation“ mit einer einzigen (Groß-)Gruppe immun.

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