Stephan Grünewald
Nicht mehr taufrisch das kleine und empathisch geschriebene Buch, aber es lohnt sich für jeden der verstehen will, wie Köln „tickt“. Basierend auf siebenhundert psychologischen Tiefeninterviews zeichnet Stephan Grünewald ein Bild der Kölner Mentalität.
Ja was ist sie denn die kölsche Seele? Wenn man Grünewald folgt, dann handelt es sich um eine Quadratur der Kreises, eine Kaffeebud als Ideal eines intakten, harmonischen, aber auch aufwandsarmen und selbstgenügsamen Leben, eine virtuose Realisierung des Sowohl als Auch, eine Glorifizierung der Toleranz, ein ewiges Werden, ein Klüngeln als Versuch den Amplituden des Lebens zu entgehen, ein ewiges Schunkeln im Hin und Her, eine tiefer Bezug zur Heimat, ein Hoffen Heilsbringer als Garanten der Größe.
Im Kern scheint es der Versuch zu sein, ein dauerhaft sorgloses Kinderdasein zu leben und gleichzeitig Großes zu erschaffen. Der Kernmechanismus ist das Prinzip des ewigen Werdens. Das ist klasse. So bleibt die Welt offen und auch ein wenig spielerisch. Die Kehrseite ist allerdings, dass sich so auch vieles der Überprüfung (und damit der Bewertung) durch das Faktische entziehen kann. Der Bezug auf die Heimat ist auch eine enorme Stärke, die Halt gibt. Gefahr droht, wenn dies ein Verharren im Bekannten, eine zu ausgeprägte Autosuggestion der Selbstschönheit, eine zu starke Geschlossenheit („Klüngel“…) und die Hoffnung auf (Wunder-)heiler nach sich zieht (die den Kölnern schon häufig teuer zu stehen kamen).
…in Summe aber, um mit Grünewald zu sprechen: ein entspannter und mitunter beglückender Lebensrelativismus. 🙂